…so spannend, dass die Katze das Mäusefressen vergisst!
Leseprobe „Alle Geschichten von der Maus für die Katz“, erzählt von Ursel Scheffler
Die Geschichtenmaus Es roch nach Maus! Da gab es keinen Zweifel! Auf samtweichen Tatzen schlich die Katze die Kellertreppe hinunter. Bei dem Gedanken an ein saftiges Mäusefrühstück lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Sssssssst! Da huschte tatsächlich ein Mäuseschatten vorbei! Mit einem Satz fegte die Katze hinterher. Sie war ein geschickter Jäger. Patsch!, machte die rechte Pfote und nagelte den Schwanz der überraschten Maus auf dem Kellerboden fest. „Hiiilfe!“, quiekte die Maus. „Jaja. Ich werde dir schon helfen!“, sagte die Katze vergnügt. Sie ließ ihre Beute einen Augenblick los. Kaum war die Maus ein Stückchen weggelaufen, fing sie die Katze mit einer geschickten Pfotenbewegung wieder ein. Eine ganze Weile trieb die Katze so ihr Spiel mit der Maus. Dann wurde es ihr zu langweilig. „Jetzt ist Schluss mit dem Fangen spielen!“, beschloss die Katze und packte fester zu. „Hiiilfe!“, quiekte die Maus wieder. Aber die Katze hatte kein Mitleid. Sie grapschte die Maus mit der rechten Pfote und sah sie gierig an. Mit Augen, die der Maus so groß wie Suppenteller vorkamen. „Tu mir nix!“, bettelte die Maus. „Ich bin nämlich eine ganz besondere Maus! Eine Supermaus. Eine Superspezialmaus, …“ „Maus ist Maus!“, antwortete die Katze. „Was sollte an dir schon Besonderes sein? Erzähl mir doch keine Geschichten.“ „Ich bin, ich bin … ich bin eine Geschichtenmaus“, rief die Maus rasch, weil ihr in der Not nichts anderes einfiel. „Eine Geschichtenmaus? Kenn’ ich nicht! Haselmaus, Springmaus, Kellermaus, Feldmaus, Waldmaus, Computermaus – alles schon gehört. Aber Geschichtenmaus? Das müsstest du mir näher erklären.“ „Erst musst du mich loslassen. Ich krieg’ ja kaum Luft!“, japste die Maus. „Und ohne Luft kann eine Geschichtenmaus nichts erzählen.“ „Glaube nur nicht, dass du mir durch diesen Trick entwischst!“, sagte die Katze und lockerte ihren Griff. „Mäuse-Ehrenwort!“, sagte die Maus. „Ich laufe nicht weg!“ Da setzte die Katze die Maus auf ein Marmeladenglas und sagte: „Also los! Was ist so besonderes an einer Geschichtenmaus? An einer, die aussieht wie eine ganz gewöhnliche Maus? Mausgrau mit einem ganz gewöhnlichen Mäuseschwanz und zwei ganz gewöhnlichen Mäuseohren?“ „Das Besondere an mir ist unsichtbar“, antwortete die kleine Maus mutig. „Es ist in meinem Kopf. Da stecken nämlich tausend Geschichten drin!“ „Gelogen!“, sagte die Katze. „Du willst mir doch nicht weismachen, dass tausend Geschichten in deinem winzigen Mäusekopf Platz haben.“ „Haben sie aber! Das ist ja das Besondere an mir!“, behauptete die Maus. „Überlege dir gut, ob du mich frisst. Es könnten ja Geschichten in meinem Kopf sein, die dir gar nicht schmecken. Willst du sie nicht vorher hören?“ „Tausend Geschichten in einem fingerhutgroßen Gehirn? Nein, das glaube ich dir einfach nicht“, sagte die Katze. „Wetten?“, entgegnete die Maus herausfordernd. „Um was wetten wir?“, erkundigte sich die Katze und leckte ihre Tatze. „Ich erzähle dir tausend Geschichten. Auch tausendundeine, wenn du willst. Ich höre erst auf, wenn du sagst dass ich eine Pause machen soll. Oder wenn du einschläfst. Wenn mir nichts mehr einfällt, dann darfst du mich fressen.“ „Und was soll mein Wetteinsatz sein?“ „Du lässt mich frei!“, antwortete die Maus rasch. „Na ja, ich weiß nicht“, sagte die Katze. Auf der einen Seite hatte sie großen Appetit auf Mäusebraten. Auf der anderen Seite war sie schrecklich neugierig. Und Geschichten hörte sie für ihr Leben gern. Und weil Katzen von Natur aus mindestens ebenso neugierig wie gefräßig sind, siegte die Wissbegier. „Na gut“, sagte die Katze. „Fressen kann ich dich hinterher immer noch!“ „Umgekehrt geht es schlecht. Wenn du mich frisst, kann ich keine Geschichten mehr erzählen.“ „Da hast du Recht“, sagte die Katze. „Also gut …“ „Die Wette gilt?“, sagte die Maus. „Pfote drauf?“ „Meinetwegen. Pfote drauf!“, sagte die Katze und setzte ihre Pranke auf die kleine Mäusetatze. „Autsch!“, sagte die Maus… [/box]